Aus 283 wettbewerbsfähigen Vorschlägen haben die Jurys Deutscher Kurzfilmpreis 12 Filme für den Deutschen Kurzfilmpreis 2014 nominiert.
"Kleine" Filme - großes Kino Foto: picture alliance / dpa
Mit der Nominierung ist eine Prämie von 15.000 Euro verbunden, die auf den Filmpreis in Gold angerechnet wird. Die Kurzfilmpreise in Gold sind mit jeweils bis zu 30.000 Euro dotiert.
Spielfilme mit einer Laufzeit von mehr als 7 bis 30 Minuten
Foto: Filmakademie Baden-Württemberg
Die Kunst des Verlierens
Hersteller: Filmakademie Baden- Württemberg, Ludwigsburg in Koproduktion mit dem Südwestrundfunk
Regie und Drehbuch: David Voss
Laufzeit: 29 Minuten
In teilweise langsam konzipierten, entfärbten und einfühlsamen Bildern baut "Die Kunst des Verlierens" das Gegenteil eines auf Wohlstand und Bequemlichkeit ausgerichteten Lebensplanes auf. Christian pflegt seinen schwerstkranken Vater liebevoll, aber fast bis zur eigenen Erschöpfung, die man förmlich spürt, wenn der junge Mann neben Pflege und Beruf im Boxsport einen Weg zu Ausgleich und Erfolg sucht. Hier werden Christian die Augenblicke geschenkt, in denen er der Bedeutungslosigkeit und Tristesse entfliehen kann. In Zeiten höchster Anspannung und Belastung durch einen alles entscheidenden Boxkampf soll ihn sein Bruder Michael unterstützen, der die Familie einst für ein besseres Leben verließ und nun wieder zurückgekehrt ist. Doch statt bei der Pflege des Vaters zu helfen, zerstört dieser das wenige Glück und wird zum Auslöser einer weiteren Niederlage.
David Voss lässt den Zuschauer jedoch nicht in die Hoffnungslosigkeit versinken, sondern erlaubt ihm, wie Christian, zuversichtlich zu bleiben. Gibt es eine zweite Chance für die Brüder? Das Leben ist eine Kunst und dazu gehört auch das Verlieren. Nicht an den Nackenschlägen, die für uns täglich bereitgehalten werden, zu zerbrechen, Niederlagen zu akzeptieren und nicht zu den Gewinnern zu zählen – davon erzählt "Die Kunst des Verlierens" in 29 Minuten und gewinnt damit unsere Sympathie.
Ein Märchen von einer unmöglichen Stelle im Universum Foto: ifs / Yvonne Haag
Ein Märchen von einer unmöglichen Stelle im Universum
Hersteller: ifs internationale filmschule köln gmbh in Zusammenarbeit mit Su- Jin Song, Markus Wulf, Janosch Götze und Holger Buff
Regie: Markus Wulf
Drehbuch: Markus Wulf, Dominik Hochwald
Laufzeit: 20 Minuten
Dass auch Kinder von den Dämonen der Erwachsenenwelt befallen werden können, von Langeweile, Überdruss und Melancholie, wird in diesem "Märchen" erzählt. Helene hat es auf jeden Fall satt, als Prinzessin von der Dienerschaft hofiert zu werden, während ihre Eltern durch Abwesenheit glänzen: Der König regiert und die Königin treibt Hilfsprojekte in Afrika an. Die Neunjährige hingegen lässt im Goldenen Käfig Tassen fallen, übt sich in Kraftausdrücken und Revolution. Erst als Helene den Panzer der Passivität aufbricht und flieht, eröffnet sich die Möglichkeit eines blutigen Knies beim Fahrradfahren, einer echten Freundschaft abseits aller Hierarchien und der lang ersehnten Aufmerksamkeit des Vaters. Mit leisem Humor, viel Fantasie und einer hervorragenden Besetzung dreht der Kurzfilm den Prinzessinnentraum kleiner Mädchen um. Hier will eine Prinzessin ein normales Mädchen werden, um die Höhen und Tiefen der Kindheit erleben zu dürfen. Dabei wird die Reise der kleinen Helene in die fünf Akte eines Puppentheaterstücks unterteilt, das den Realfilm mit einfallsreicher Papp-Tricktechnik unterbricht. In kindgerechter Komplexität werden altertümliche Motive mit modernen verbunden, während sich die Welt der Dinge für Helene und ihren neuen Freund Paul in "ausgedacht" und "nicht ausgedacht" verwandelt – immer auf der Suche nach dieser Stelle im Universum, an der eine selbstbestimmte Existenz auch für Kinder möglich sein könnte.
El carro azul Foto: Valerie Heine
El carro azul
Hersteller: Kunsthochschule für Medien, Köln
Regie: Valerie Heine
Drehbuch: Valerie Heine und Carlos M. Quintela
Laufzeit: 20 Minuten
In der trostlosen Kulisse eines maroden, kubanischen Küstenortes, erzählt uns Valerie Heine die ungewöhnliche Geschichte einer Annäherung zweier ungleicher Brüder – dem gerade aus San Francisco zurückgekehrten, Hansel und dem in Kuba zurückgelassenen Marcos, der trotz Down-Syndrom in seinen kleinen verbalen Spitzen keineswegs zu unterschätzen ist. Die Abwesenheit der Eltern und der kürzlich verstorbenen Großmutter erzeugen eine Atmosphäre der Melancholie und Perspektivlosigkeit, die jedoch immer wieder in leisen, heiteren Szenen aufgebrochen wird und so die Sehnsucht der Figuren erlebbar macht. Ein altes Spiel der Großmutter hilft den beiden Brüdern am Ende die verlorene Nähe wieder herzustellen. Die Bilderwelt zeigt unaufdringlich einen Ausschnitt Kubas, jenseits der gängigen Klischees des Landes. Ein angenehm selbstverständlicher Umgang mit dem Andersartigen zeichnet die Erzählung aus. Durch Valerie Heines feinen, beobachtenden Regiestil entsteht eine große Wahrhaftigkeit. Die großartigen Schauspieler und ihre klaren, mitunter lakonischen Dialoge machen den Film darüber hinaus zu einem nachhaltigen Erlebnis.
PEIN Foto: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Potsdam
PEIN
Hersteller: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Potsdam
Regie: Ulrike Vahl
Drehbuch: Ulrike Vahl und Denise Langenhan
Laufzeit: 20 Minuten
Der Tod ist sein Geschäft, die Trauer der Angehörigen ein bitteres Nebenerzeugnis. Anton arbeitet als Assistent der Pathologie, wobei er ständig dem unbarmherzig ausleuchtenden Licht von Kühlraum und Autopsie-Saal ausgesetzt ist. Unbarmherzig erscheint auch Anton selbst, als er seinen eigenen Druck und Schmerz, der ihn innerlich auffrisst, auf die Reinigungskraft Frieda abwälzt. Sie habe für ihn gebetet, gesteht sie ihm eines Tages, woraufhin Anton knallhart entgegnet, dass Frieda, so ohne Mann und ohne Kinder, doch mal lieber für sich selber beten solle. In langen, ruhigen Einstellungen, mit kleinen Gesten und feinsinnigen Beobachtungen erzählt Ulrike Vahl von der Qual eines Mannes, der jeden Tag mit der Vergänglichkeit konfrontiert wird. Verhärtung und Distanz sind die Mechanismen, mit denen er das Leid auszusperren versucht – bis die Besorgnis eines alten Mannes um die nackten Füße seiner verstorbenen Liebsten etwas in Anton rührt, das er und wir längst für abgestorben gehalten haben. Mit viel Gefühl für die kleinen Erschütterungen im Inneren ihrer Figuren, die vor den kahlen Wänden eines trostlosen Arbeitsumfelds inszeniert wurden, ist "Pein" die Geschichte einer Eruption, die sich schon in einer kleinen Handbewegung bemerkbar machen kann.
So schön wie Du Foto: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Potsdam
So schön wie Du
Hersteller: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Potsdam in Koproduktion mit dem Rundfunk Berlin- Brandenburg
Regie: Franziska Pflaum
Drehbuch: Franziska Pflaum und Roman Gielke
Laufzeit: 30 Minuten
Zwei Freundinnen auf dem Land, Tina und Marlene, beide 15, eine dem gängigen Schönheitsideal von Casting-Shows entsprechend, eine eher nicht, auf der Suche nach Anerkennung. Beide wollen durch bedeutungslosen Sex, Alkohol und Feiern in der Disco Selbstbestätigung finden, was aber letztlich nur dazu führt, dass sich ihre Einsamkeit verstärkt. Vor allem Marlene, die Tina um ihr Aussehen beneidet und von den Jungs bei den nächtlichen Exzessen verspottet wird, entfernt sich immer mehr von sich selbst. Marlenes Frustration führt schließlich zu einem eifersüchtigen Verrat an ihrer Freundin.
Der Film lässt die Sehnsucht nach Liebe, nach Nähe, nach einem wahrhaftigen Gefühl für andere und sich selbst spürbar werden, zeigt das Scheitern und dessen ganze Schmerzhaftigkeit mit Konsequenz und klaren Mitteln. Vom Drehbuch über Szenenbild, Inszenierung, Kamera und Schnitt bis hin zur bewunderungswürdigen Leistung der beiden jungen Hauptdarstellerinnen Runa Greiner und Anna Lena Klenke befindet sich dieser 30-minütige Kurzfilm von Franziska Pflaum auf einem durchgängig sehr hohen Niveau. "So schön wie Du" ist ein Film, der berührt und im Gedächtnis bleibt – nicht zuletzt weil es Franziska Pflaum gelungen ist, und das ist das Erstaunliche, hinter der gezeigten Tristesse den verschütteten Kern menschlicher Wärme und Würde lebendig zu halten.
"Von Hunden und Tapeten" Foto: Visar Morina/ augenschein Filmproduktion GmbH, Köln
Von Hunden und Tapeten
Hersteller: augenschein Filmproduktion GmbH, Köln in Zusammenarbeit mit Arte und dem Zweiten Deutschen Fernsehen
Regie und Drehbuch: Visar Morina
Laufzeit: 30 Minuten
Seit Jahren hat Paul seine Eltern nicht mehr gesehen, jetzt braucht er dringend Geld. Da trifft es sich gut, dass der Vater gerade eine Reise mit seiner Freikirche plant, und sich Paul gegen eine Entlohnung um seine Mutter kümmern kann soll. Die ist zu seiner Überraschung inzwischen auf den Rollstuhl angewiesen und verlässt das Haus nicht mehr. Die Eltern scheinen sich in ihrer Zweisamkeit eingenistet zu haben, unter deren Oberfläche es allerdings mächtig brodelt: während der Vater versucht, jeden Zwist mit einem sanften Dauerlächeln zu ersticken, warnt die herrische Mutter ihren Sohn, bloß nicht auf dessen Unschuldsmasche hereinzufallen. Vor allem als sich der von Paul festgeschraubte Haltegriff im Bad auf mysteriöse Weise wieder lockert und sich die Mutter verletzt, wird klar, dass "Mysteriöses" auch auf etwas sehr Menschlichem basieren kann. Die Geschichte erzählt unaufgeregt und fast kammerspielartig von einer unglücklichen und vor allem lieblosen Ehe – und von einem Sohn, der hilflos vor Trümmern steht. Mit Hilfe sparsam eingesetzter, oft überraschender Dialoge sowie einer subtilen Tongestaltung macht Visar Morina auf beklemmende Art erfahrbar, wie es sich anfühlt, wenn Frust, Ohnmacht und Verzweiflung keine Ventile finden und der Lebensabend besiegelt scheint. "Von Hunden und Tapeten" ist ein besonderer Film von großer atmosphärischer Dichte bis zum stark kadrierten Schlussbild gelungen, der von außergewöhnlich einfühlsam in Szene gesetzten Darstellern getragen wird.
Animationsfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten
Die Nacht des Elefanten Foto: TRIKK17 - Animationsraum GmbH & Co.KG
Die Nacht des Elefanten
Hersteller: TRIKK17 - Animationsraum GmbH & Co.KG, Hamburg in Koproduktion mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen
Regie: Sandra Schießl
Drehbuch: Martin Baltscheit
Laufzeit: 8 Minuten
Nadel und Zwirn braucht man eigentlich, um sich ein schickes Teil zu nähen. Oder - um einen Film zu machen. Mit wenigen Stichen gelingt es den Filmemachern, eine fernöstliche Tier- und Märchenwelt zu erschaffen. Die Geschichte wird alters-, sprich zielgruppengerecht erzählt und dabei geschickt mit den Materialeigenschaften gespielt. Gute Ideen erwecken oft den Eindruck des Naheliegenden. Die scheinbare Einfachheit in der Wahl der Mittel entspricht perfekt der Struktur und dem Charme der Geschichte und erzeugt einen wohltuenden Kontrast zu den sich immer ähnlicher werdenden Computeranimationen, die den Massenmarkt bedienen. Aber nicht nur deswegen bezauberte der heute auszuzeichnende Film die Jury. Im digitalen Zeitalter wirkt der Film geradezu analog. Stoffe und Knöpfe bekommen eine Seele. Figuren werden mit einfachsten Strichen lebendig, stehen im Kontrast zu üppiger Ornamentik. So alt-modisch das klingen mag, aber die filmische Nadelarbeit ist bestens geeignet, auf besondere Weise die Kreativität unserer Kinder zu befördern. Mehr von solchen Filmen und - um im Bild zu bleiben - der deutsche Animationsfilm wäre raus aus dem Schneider.
PATCH Foto: Gerd Gockell Filmproduktion
PATCH
Hersteller: Gerd Gockell Filmproduktion, Hannover
Regie: Gerd Gockell
Drehbuch: Ute Heuer
Laufzeit: 3 Minuten
Aus Kacheln werden Kader, aus Kadern Pixel, aus Schwarz-Weiß Farbe. Einmal in Bewegung versetzt, durchleben wir in atemlosen 3 Minuten die Geschichte des Kinos von seinen analogen Anfängen über die Digitalisierung bis zum Home Entertainment. Technikgeschichte wird hier in seine Einzelteile zerlegt, neu zusammengesetzt, greifbar und begreifbar erzählt. Abstrakte Malerei und Film feiern in dieser Animation ihre perfekte Symbiose. Aber damit nicht genug: Gerd Gockell verbindet die Geschichte des Kinos mit der Moderne, die von Tempo, Technisierung und Mobilität geprägt ist – und öffnet so weitere Assoziationsräume. Hoch konzentriert und komprimiert auf der einen Seite, ist der Film gleichzeitig reich an Referenzen – nicht zuletzt eine beglückende Verbeugung vor der Magie des Kinos.
Experimentalfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten
Sechster Sinn, Drittes Auge, Zweites Gesicht Foto: OCEAN PICTURES Filmproduktion, Roland Fischer, Memmingen
Sechster Sinn, Drittes Auge, Zweites Gesicht
Hersteller: OCEAN PICTURES Filmproduktion, Roland Fischer, Memmingen
Regie u. Drehbuch: Jan Riesenbeck
Laufzeit: 14 Minuten
Was ist das eigentlich, "das Leben"? Einfache Frage, viele Antworten: Ein Puzzle, dessen Einzelteile sich verstreuen, zusammenfügen und dennoch kein Bild ergeben? Eine Show, die dirigiert wird von einem schmierigen Magier, der einen nur hinters Licht führt? Oder doch ein Traum, aus dem man nicht mehr erwachen kann? In einer furiosen tour de force jagt der Film durch das Labyrinth des Lebens mit all seinen Verwirrungen, Mehrdeutigkeiten, Wundern – und Enthüllungen. Kein Superlativ ist groß genug, um die Fülle an Bildideen und -erfindungen zu beschreiben, die diesen atemlosen Monolog illustrieren, konterkarieren oder auch unterwandern. An keiner Stelle gibt es Sicherheit, hinter jeder Szene lauert eine Überraschung, vermeintliche Lebensweisheiten werden verdreht und Versatzstücke verschiedenster Genres lustvoll verwirbelt: Ob Pop, Trash, Musical oder Fernsehästhetik, sie finden bei Jan Riesenbeck zu einer ganz originären Komposition zusammen, deren Hintersinn voller Ernst ist.
Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen Foto: Susann Maria Hempel
Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen
Hersteller: Susann Maria Hempel, Greiz
Regie u. Drehbuch: Susann Maria Hempel
Laufzeit: 18 Minuten
Die Spieluhr spielt. Die Lichtschalter tanzen dazu. Die Lampe sendet Morsezeichen. Alte Kabel greifen tentakelartig nach dem Bildbetrachter. Mechanisches Objektballett nennt es die Künstlerin selbst. Eine überbordende Fülle von originellen Bildfindungen in einer Art Recyclingkabinett wird mit Interviewtexten, Gesängen und Geräuschen verwoben. Es sind Erinnerungen und Befindlichkeiten, die in eine filmische Performance überführen. Das sichere Gefühl für Timing und Tonalität zieht den Zuschauer hinein in die Episoden-Schicksals-Miniaturen. Eine surreale Welt inmitten muffigen und bröckeligen Tapetendesigns. Gelebtes Leben tritt noch einmal auf die Puppentheaterbühne, vorbeirauschende Züge verbinden die Kapitel. Man fühlt sich an Filme von Jan Svankmajer oder der Gebrüder Quay erinnert, nur ist bei unserem ausgezeichneten Film nichts im klassischen Sinne animiert. Alles bewegt sich real. Mechanisches Ballett eben.
Dokumentarfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten
Nach Auschwitz Foto: Jan Sobotka
Nach Auschwitz
Hersteller: Jan Sobotka, Berlin
Regie u. Drehbuch: Jan Sobotka
Laufzeit: 20 Minuten
Brillen werden entwirrt, Kofferschlösser von Rost befreit, Schuhe gewaschen. Symbolträchtige Gegenstände, die vor dem Verfall bewahrt werden, um die Authentizität eines Ortes zu erhalten. Der Dokumentarfilm zeigt Restauratoren im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz bei ihrer Arbeit. Mit der gleichen Behutsamkeit und Präzision wie seine Protagonisten nähert sich Jan Sobotka der Frage nach dem Umgang mit dem Erbe des Holocaust. Keine Erklärung, kein Pathos, keine erzwungene Betroffenheit. Indem er sich auf die nüchterne Beobachtung beschränkt, bringt uns der Film wie von selbst darauf, dass es nicht nur um den Erhalt historischer Museumsstücke geht, sondern um die Suche nach Möglichkeiten der kollektiven Erinnerung. Anstatt Antworten zu geben, lässt der Film Raum für Gedanken, Gefühle und Fragen. Das ist, so seltsam es in diesem Zusammenhang klingen mag, eine Wohltat. Nicht, weil es uns als Zuschauer entlastet, sondern, im Gegenteil, zum Nachdenken bringt.
Shoot Me Foto: Hochschule für Fernsehen und Film München
Shoot Me
Hersteller: Hochschule für Fernsehen und Film München
Regie u. Drehbuch: Narges Kalhory und Benedikt Schwarzer
Laufzeit: 30 Minuten
Die Filmemacherin Nargas Kalhory begibt sich auf die Suche nach einem iranischen Rap-Musiker, der aufgrund eines Liedes Todesdrohungen erhält. Die Angst, die ihr auf dieser Suche immer wieder entgegenschlägt, wird zum Thema des Films. Durch die gekonnte Montage von Filmaufnahmen ihrer eigenen Kindheit im Iran mit Bildern der Gegenwart und einem sehr persönlichen Kommentar verbindet der Film ihre eigenen Erinnerungen mit der Frage nach den Angst erzeugenden Mechanismen eines diktatorischen Regimes. So wächst der Film über die persönliche Geschichte hinaus zu einer gesellschaftspolitischen Reflexion, die gerade deshalb glaubwürdig ist, weil sie nicht den Anspruch auf eine objektive Darstellung erhebt. Die Offenheit, Leidenschaft und Radikalität, mit der die Narges Kalhory und Benedikt Schwarzer sich filmisch diesem wichtigen Thema annähern, hat uns berührt und überzeugt.